Meine
Toscana-Töpferferien Erwartungsvoll fiebere ich meinen
Toscana-Töpferferien entgegen. Von unserm etwas unfreundlichen Herbstwetter entferne ich
mich und begebe mich in wärmere und sonnigere Gefilde. Die lange Bahnreise, die mich
durch die landschaftlich abwechslungsreiche Schweiz und die ziemlich eintönige trostlose
Poebene über Mailand an mein Ziel bringt, entschädigt mich mit der romantischen Toscana,
die wirklich hält, was sie verspricht.
Sonntag Eine Kunstausstellung von Werken verschiedenster Art aus Ton wirkt inspirierend für unsere bevorstehenden Kurswochen. Eine kleine Töpferei mit einem Töpfer "frisch am Werk" macht uns bereits ein wenig vertraut mit dem Handwerk an der Töpferscheibe. Nach diesen gewonnenen Eindrücken beschliessen wir unsern ersten Abstecher in der Toscana mit einem "Espresso" in einem Strassenkaffee. Auch die Sonne versteckt sich hinter den aufkommenden Wolken, die sich zu einem Gewitter zusammenbrauen und uns einen etwas nassen Abschluss bereiten. Mit einem feinen Nachtessen mit Spaghetti nach italienischer Art, in der heimeligen, gemütlichen Wohnküche des "Corbino" beenden wir den ersten Tag und wir freuen uns auf den Beginn unserer kreativen Tätigkeit. Montag Jedes sucht sich in der dem Corbino angebauten Töpferei ein Arbeitsplätzchen und wartet gespannt auf das, was nun kommen wird. Als erstes verteilt unser Kursleiter jedem ein grosses Stück Ton, das wir vor der Verwendung gut durchkneten. Diese Vorbereitung ist sehr wichtig, um die noch enthaltene Luft herauszupressen, denn Tonstücke, die noch Luftbläschen enthalten, können während des Brennens zerspringen. Unter sachkundiger Leitung beginnen wir mit einem hübschen Gefäss in weissem Ton, das durch gefühlvolles Wirken unserer Hände zu einem wahren Kunstwerk wird. Vertieft ins Modellieren in "Aufbautechnik", begleitet von leiser Musik, versinken wir in eine andere Welt. Unser "Maestro" gibt die erforderlichen Anweisungen und den Gebilden als Abschluss noch den "letzten Schliff". Voller Stolz bestaunen wir die entstandenen Werke, die später einem "Raku-Bucchero-Brand" übergeben werden. Den Nachmittag beenden wir ganz individuell mit Faulenzen, Spaziergängen und die Umgebung geniessend. Dienstag Heute bereiten wir mit dem Wallholz - keinen Wähenteig- sondern eine Tonfläche zu, mit der sogenannten Plattentechnik. Der ausgewallte Ton wird später zu einem dekorativen Stück, entweder Früchte-, Käse- oder anderer Schale weiter verarbeitet, das aber auch als Bild die Wand schmücken kann. Zu diesem Zweck dürfen wir die Gestaltungs-Möglichkeiten frei zur Anwendung bringen. In Form von Schablonen, mit denen wir dann die verschiedenen Farben spielen lassen, rüsten wir uns für den folgenden Tag. Unsere Kreation vom ersten Kurstag bekommt noch eine Politur mit einem Löffelchen, das den Zweck nicht nur in kulinarischer Weise dienlich zu sein scheint. Ein kleiner Ausflug ins schmucke Dörfchen "Casole" rundet unsern Tag ab. Als Vorspeise zum Nachtessen hängen bereits einige schmackhafte Feigen an den Bäumen. Obwohl während der Sommermonate der Himmel in der Toscana oft bedeckt war, verströmen die Feigen und Trauben ein feines, süsses Aroma und schmecken köstlich. Um so intensiver sogen die reifenden Früchte die spärlich scheinenden Sonnenstrahlen in sich hinein und speicherten sie für einen aromatischen Reifeprozess. Ein abwechslungsreicher Ferientag liegt nun wiederum hinter uns. Mittwoch Alsdann nehmen wir ein neues grösseres Werk in Aufbautechnik in Angriff. Wie ein Haus aus Backsteinen, schichten wir unsere gedrehten Würstchen aufeinander und lassen die Gefässe zu formschönen Kreationen werden. Alle sind so vertieft in ihre Arbeit, dass nach einer Zwischenverpflegung, die angefangene Arbeit bis zur Vollendung wieder aufgenommen wird. Mit einem Nachtessen in Form eines Kartoffel-, Zuchhetti-, Tomatengratins, gebacken im Raku-Ofen, beschliessen wir den dritten Ferienkurs-Tag. Donnerstag Die Oberfläche bekommt nun eine Engobe-Farbschicht nach Wahl. Für die anschliessende Verzierung, die in die Schicht eingeritzt wird, entwerfen wir auf Papier feine Skizzen. Noch ist es aber nicht so weit, um die Zeichnungen auf die Gefässe umzusetzen. In der Zwischenzeit beginnen wir mit einem neuen Stück in Plattentechnik, das marmoriert wird. Dazu wird einem Teil des Tones ein Farbpulver beigemischt und verknetet. Der weisse und der eingefärbte Ton wird anschliessend zusammengefügt und immer wieder mit dem Draht geteilt, bis der marmorierte Ton die gewünschte Feinheit der Struktur aufweist. Alsdann wird er ausgewallt und, unter Zuhilfenahme von einer Kartonröhre, einer Styroporkugel oder Schale, zu einem Gegenstand geformt. Schon haben wir wieder etwas neues gelernt und als wir die Töpferei verlassen, ist es bereits ca. halb vier Uhr. Der krönende Abschluss dieses Abends besteht in einem feinen Pizza-Znacht. Pizzas, die durch die Holzglut des offenen Pizza-Ofens, den unvergleichlich gut mundenden Holzgeruch erhalten. Bei all diesen italienischen Spezialitäten darf natürlich ein Gläschen toscanischer Rotwein nicht fehlen. Ein unvergesslicher, gemütlicher Abend am wärmenden Pizza-Ofen beschliesst den heutigen Tag. Freitag Unsere Töpfe in Aufbautechnik bekommen nun die bereits entworfenen Motive - sofern diese nicht vom Winde verweht wurden. Unter den Händen der Kursteilnehmer entstehen wunderschöne, zierliche Gravuren. Die Struktur bildet sich, indem die obere Farbschicht mit einem spitzen Gegenstand weggekratzt wird und die ursprüngliche Tonschicht zum Vorschein kommt. Inzwischen bekommen unsere Töpfe, die wir am ersten Tag geformt haben, einen "Raku-Bucchero-Brand". Als erstes werden die Stücke im Raku-Ofen gebrannt und anschliessend glühend direkt vom Ofen in die brennenden Holzspähne in einem Erdloch weitergebrannt, die dann durch den Sauerstoffmangel den typischen dunklen Farbton bekommen. Mit einem gesunden Vollwertkost-Menu, einem Eintopfgericht, bestehend aus Hafer, dem nach ca ¾ Stunden, kurz gekochten Lauch, Sellerie und Karotten beigemischt und mit einer rahmigen, Curry-Sauce abgeschmeckt wird, beschliessen wir den Abend. Zur Nachahmung empfohlen, schmeckt gut! Samstag Heute haben wir uns vorgenommen, Siena einen
Besuch abzustatten. Vorerst werden unsere Töpfe noch aus der heissen Grube erlöst. Etwa
um die Mittagszeit steuern wir Siena entgegen. Eine wunderschöne, romantische Landschaft
mit Kastanienbäumen, roter Erde und den toskanischen Besonderheiten eröffnet sich unsern
Augen. Die Piazza von Siena, mit den Tauben, erinnert ein wenig an Venedig. Wir flanieren
durch die Gässchen der kleinen Handelsstadt. Auch den berühmten Dom, der in ungefähr
700 Jahren erbaut wurde besichtigen wir, ein riesiges künstlerisches Bauwerk, das eine
grosse, ehrfürchtige Bewunderung auslöst. Dieser bestehende Dom sollte ursprünglich
erst den Vorbau, das Seitenschiff, darstellen und später nach Vollendung des ganzen
Bauwerkes, den Florenzer Dom um einiges überragen. Die Pest raffte dann aber einen
grossen Teil der Bevölkerung dahin, womit es beim heutigen Bau blieb, ein Werk das ja
wirklich auch in diesem Ausmass sehr bemerkenswert ist und in der heutigen Zeit kaum mehr
realisierbar wäre.
Sonntag Der Weg dorthin führt durch eine weiche, hügelige Landschaft. Im Städtchen angekommen, erkunden wir die Sehenswürdigkeiten. Ueberall wo wir hinkommen, treffen wir auf schmucke Gässchen, immer wieder eine Herausforderung, den Photoapparat zu zücken. Auch eine mit schönen religiösen Kunstwerken ausgestattete Kathedrale ist sehenswert. Weil dieser Ort etwas erhöht liegt, erstreckt sich vor uns eine ausgedehnte Sicht in die Ferne. Ein Blick über eine Stadtmauer erinnert mit dem unter uns liegenden Amphitheater an die Etrusker früherer Zeiten. Heute haben wir ein weiteres Stück Toscana kennengelernt. Am Abend verbringen wir noch einige Zeit mit Ritzen unserer Töpfe, die wir des kalten Wetters wegen, in die warmen Räumlichkeiten heraufholen, Gefässe, die dann am Montag morgen den Weg in den Brennofen nehmen werden. Montag Unter den Ton mischen wir körnige Schamotte, schwarzes Pulver und Wasser und kneten das Ganze zu einer kompakten Masse. Aus diesem Gemisch formen wir unsere Kreationen, die als Schmuckstücke dienen werden, da sich der Raku-Brand wegen der etwas niedrigen Brenntemperatur nicht für Gebrauchsgegenstände eignet, weil die Tonwände wasserdurchlässig bleiben, hingegen durch die Zeremonie und Technik des Brennens unwiederholbare Effekte erhalten. Nach einer Zwischenverpflegung gibt es noch einen Abstecher ins nahegelegene Dorf "Casole" zum Einkauf von Lebensmitteln und anschliessendem Espresso oder Apero. Mit einem feinen Nachtessen beschliessen wir den ersten Tag unserer zweiten Ferienwoche. Die begonnenen Schamottenstücke bekommen nun noch den letzten Schliff und wandern in den Raku-Ofen für den ersten Brand. Wir starten mit Weisston eine neue Arbeit, die durch ein spezielles Verfahren eine schöne Oberfläche erhalten wird. Unsere fleissigen Hände lassen den Ton wiederum zu wunderschönen Gebilden formen. Wir haben nun bereits etwas Uebung in der Technik, was für uns sehr ermuntern wirkt, um neue Kreationen in Angriff zu nehmen. Erst gegen 15.00 Uhr verlassen wir die Töpferei und stärken uns mit einem Birchermüesli. Noch bricht die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen nicht hervor. Um uns am knisternden Kaminfeuer gemütlich zu machen, entzünden wir etwas Holz und holen als Nachschub einige "Rugel" vom nahegelegenen Holzstapel am Waldrand. Mit Rugeln auf unsern Armen, marschieren wir im Gänsemarsch in die Wohnküche zurück, um diese ihrer Bestimmung zu übergeben. Abwechslungsweise bereiten wir jeweils das Nachtessen zu, das immer vorzüglich schmeckt. Team-Work wird bei uns gross geschrieben und funktioniert bestens. Eine schmackhafte Kürbissuppe mit anschliessendem Gratin rundet unsern heutigen Tag ab. Mittwoch Uns stehen nun nur noch zwei Tage zum Töpfern zur Verfügung. Die ersten Kunstwerke haben den Brand bereits überstanden und können bewundert werden. Weil das Wetter immer noch kühl und bedeckt ist, unternehmen wir keine grossen Ausflüge mehr. Ein Spaziergang bei feinem Nieselregen ins Casole liegt dennoch drin. Einige nehmen den Weg zum bekannten Schwefelbad unter die Räder. Frisch und wie neu geboren kehren sie zurück, offenbar ist diese Quelle ein wahrer Jungbrunnen. Um uns etwas zu erwärmen, entzünden wir das Feuer am Kamin. Mit Gitarrenklängen und Gesang verbringen wir einen musikalischen und musischen Abend. Donnerstag Auch unsere Figuren werden noch fertig modelliert, die dann in den Brennofen gesteckt werden. Um sich auch mit einer ganz neuen Technik vertraut zu machen, haben wir Gelegenheit, das Verfahren an der elektrischen Töpferscheibe auszuprobieren. Diese Technik erfordert ein ausgeprägtes Gespühr, da bei einem Fehler das Stück total verformt werden kann, und zum Teil ganz neu begonnen werden muss. Ein wichtiger Teil besteht im Zentrieren des Tons. Es folgt die Formgebung. Bei richtiger Handhabung entstehen sehr regelmässige und feine Gefässe. Eine sehr feinfühlige und schöne Arbeit, die viel Fingerspitzengefühl erfordert. Mit einem Lagerfeuer am Waldrand, bei Vollmondschein, geniessen wir unser Nachtessen und wärmen uns am knisternden Holz und verbringen so plaudernd einen gemütlichen schönen Abend. Freitag Heute ist auch Putztag. Alle unsere während unseres Töpferns verwendeten Gebrauchs-Gegenstände werden gereinigt und die Töpfer-Werkstatt aufgeräumt und geputzt. Einige vollbringen noch ihre restlichen Töpferarbeiten. Abends nehmen wir den vom Mond hell erleuchteten Weg nach Casole unter die Füsse um bei einem mundenden Nachtessen unsere kreativen Töpferferien zu beschliessen. Ein wunderschöner Toscana-Aufenthalt liegt hinter uns und mit Wehmut denken wir an die bevorstehende Reise zurück in die Schweiz. Samstag Eine wertvolle Zeit geht zu Ende, ein Ferienaufenthalt mit bleibenden Erinnerungen beim Erlernen eines sinnvollen kreativen Hobbys, das in Zukunft noch viele schöne Beschäftingsstunden bieten wird und bei dem man sich in Gedanken gerne ins Corbino in der Toscana zurückversetzen wird. Ein spezieller Dank gebührt unserm Kurs- und Reiseleiter Gunter Ahlborn, der uns im romantischen Corbino beherbergte und uns mit dem Töpferhandwerk und einem Stück von der schönen Toscana vertraut machte, womit unsere unvergesslichen Töpferferien erst möglich wurden. Nochmals, im Namen aller, herzlichen Dank. Eine Kursteilnehmerin Ruth Kuhn
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